05.12.2021

Es kam in der Vergangenheit immer mal wieder vor, dass unsere Gäste die Stadt zu Fuss erkundschaften wollten. Ich riet meistens davon ab, denn bislang existierten so gut wie gar keine Gehwege oder wenn doch, waren diese durch Waren, Fahrzeuge und Kehrichtdepots übersät. An einen gemütlichen Stadtbummel war kaum zu denken. Noch vor 2 Jahren befand sich bekanntlich ja unser gesamtes Strassennetz noch „under construction“ und alleine schon das befahren war abenteuerlich genug.

Bereits in meiner letzten Saison waren dann deutliche Fortschritte auszumachen, richtig überrascht war ich aber dann bei der jetzigen Ankunft. Offenbar hat die Pandemie einige Ressourcen frei gemacht und die kambodschanischen Strassenbauer konnten so richtig Gas geben. Jetzt muss ich definitiv nicht mehr von einem Fussmarsch durch die Stadt warnen. Nebst grosszügigen Geh- und Fahrradwegen gibt es nun sogar Ampeln und Zebrastreifen. Ich hätte vor Jahren nie darum gewettet, dass ich für den Schulweg von Zaly einmal 3 Rotlichter zu passieren hätte. Es wird vermutlich aber noch eine Weile dauern, bis der letzte Kambodschaner die angepassten Verkehrsregeln verinnerlicht hat. Zur Zeit erscheint mir die Sache noch etwas gefährlicher als zuvor, wo jeder auf jeden achtete. Aktuell ist es noch so, dass grün haben nicht zwingend heissen muss, dass dir keiner vor der Nase die Fahrbahn kreuzt oder im Kreisel nicht doch im Uhrzeigersinn gefahren wird.

Und ganz plötzlich bereichern nun also weitere Möglichkeiten meinen Alltag. Fallen mal am Morgen nicht gerade Besorgungen auf dem Markt an, mache ich mich nun des öfteren zu Fuss auf den Weg durch die Strassen. Dank dieser entschläunigten Fortbewegung bleibt etwas mehr Zeit für genaueres Hinsehen und es gibt doch immer Neues zu entdecken.

Nach nur wenigen Metern stellt man fest, dass es seit dem Corona-Ausbruch, mit Ausnahme der erwähnten Infrastruktur, bei der sonstigen Bautätigkeit nicht mehr wirklich vorwärts ging. Vorher konnte man bei den Neubauten praktisch zusehen, wie sie täglich meterweise gegen Himmel wuchsen. Zu dieser Zeit waren aber auch noch tausende chinesische Gastarbeiter am Werk, welche im 24 Std.-Betrieb tätig waren. Die Rückkehr dieser Gastarbeiter erfolgte bis heute noch nicht und daher herrscht bei vielen Grossprojekten vorerst Stillstand.

Wenn ich das Löwendenkmal mit seinem Kreisel passiere, denke ich oft, was mussten diese Löwen nur schon in den letzten 20 Jahren alles erleben und sehen. Zur Zeit offenbaren sich ihren Blicken vorallem eines, nämlich unfertige Bauten.

Die Einheimischen haben sich an die neuen Lebensbedingungen weitgehend angepasst. Verkauft, gekocht und verpflegt wird vermehrt an improvisierten Verkaufsständen oder man zieht mit seinem Angebot auf Rädern um die Häuser, um so dort zu sein, wo es Kunden hat und sich so auch die gestiegenen Geschäftsmieten zu ersparen.

Des öfteren greife auch ich für eine Zwischenverpflegung auf die Garküchen oder einen fahrenden Grill zurück. Für mich ist der asiatische Streetfood mehr als einfach nur eine Möglichkeit, sondern gehört zur Kultur schlechthin. Beim Kleidershoppen hingegen pflege ich zu passen und dies auch wenn die Händler noch so betonen „no problem sir, big size we have!“ Ich kenne meine Grösse und brauche gar nicht erst auf offener Strasse zu probieren.

Wieder zurück von einem Bummel genehmige ich mir dann in der Regel noch einen erfrischenden Passionsfrucht-Drink gleich bei uns um die Ecke und die Siesta kann kommen.