23.02.2020

Als ich vor Jahren das erste Mal in Battambang unterwegs war, stach mir auf einer meiner Fahrten eine etwas spezielle Hängebrücke über einen Nebenfluss des Tonle Sap-Sees ins Auge. Man erklärte mir, dass diese mal von Schweizer Hand erbaut wurde, näheres zu diesen Umständen konnte man mir aber nicht berichten. Auf meinen Rundreisen mache ich seit Beginn weg mit unseren Gästen dort Halt.

Dank Rafi, welcher mit mir im letzten November die Reise unternahm, bin ich nun in der Lage, etwas mehr über diese Brücke zu erzählen. Rafi vermutete nämlich aufgrund der Bauweise und den verwendeten Materialien zu wissen, aus wessen Schweizer Hand diese Brücke stammt. Etwas Recherche im Internet bestätigte dann seine Vermutung und seither weiss ich nun also, dass diese Hängebrücke eines der Werke des Schweizers Toni Rüttimann ist.

Toni Rüttimann wurde 1967 im bündnerischen Pontresina geboren. Schon in jungen Jahren ging dieser gerne auf Reisen und fühlte sich zu Menschen hingezogen, welche im Leben nicht immer auf der Sonnenseite stehen.

Kurz vor seiner Matura gab es in Ecuador ein heftiges Erdbeben und Toni Rüttimann verfolgte die Bilder der Zerstörung im Fernseher. Er wollte dorthin um zu Helfen und etwas Sinnvolles tun. Er traf darauf hin im geheimen Vorbereitungen, sammelte Geld und schrieb hierzu einen Artikel in der Engadiner Post.

Seine Eltern waren alles andere als mit seinem Vorhaben einverstanden. Doch er liess sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. Er flog am Tag nach der Maturfeier mit seinen Ersparnissen und dem gesammelten Geld nach Quito, Ecuador. Er kämpfte sich bis ins Erdbebengebiet in den Dschungel vor und stand eines Tages vor dem reissenden Río Aguarico, dem Fluss, der aus den Anden ins Tal hinunterdonnerte. Er sah die vielen Menschen, die dort warteten und nicht mehr über den Fluss kamen. Und er wusste plötzlich, was er mit dem Geld anfangen würde: Brücken bauen.

Foto Schweizer Familie 14/2011

Zusammen mit einem holländischen Ingenieur bastelte er dort innert 4 Monate seine erste Hängebrücke. Er kehrte nach 6 Monaten in die Schweiz zurück und begann sein Ingenieurstudium, welches er bereits nach 7 Wochen wieder abbrach. Im Innersten wusste er, er wollte fortan Armen helfen. Er ging dann mit 20 Jahren wieder zurück nach Ecuador und lernte mit den Einheimischen im Busch zu leben.

Mit den Formeln des holländischen Ingenieurs sowie der Mitarbeit eines Schweissers entwickelte er einen eigenen Typ Hängebrücke. Seither baut der Engadiner Toni Rüttimann Fussgänger-Hängebrücken für abgeschnittene Dörfer mit wiederverwerteten Stahlseilen und Pipeline-Röhren. Die begünstigten Bauern tragen mit ihrer Arbeitskraft, Sand, Stein, Zement, Holz und Transport zu den Projekten bei. Die Materialien für die Brücken stammen aus Spenden von Schweizer Seilbahnfirmen und Stahlfirmen. Schon 55 Schweizer Seilbahnen und Seil-Lieferanten unterstützen den humanitären Brückenbau von Toni Rüttimann.

Gemäss einem Bericht aus dem Jahr 2011 waren es bereits nach 24 Jahren 538 Brücken in 13 Länder, wovon deren 76 in Kambodscha und somit auch eben diese hier in Battambang.

Zwischenzeitlich sind weitere Brücken dazu gekommen. So wurde im März 2018 in Myanmar bereits die 777. Brücke eingeweiht.

Foto Schweizer Familie 14/2011

Genau solche Geschichten über Menschen, welche ohne grosse mediale Präsenz mit ihrem unermüdlichen Einsatz Armut auf dieser Erde mindern, berühren mein Herz ungemein. Ihnen gebührt mein grösster Respekt. Ein schöner Moment, einer dieser Werke auf unserer Reise den Gästen zeigen zu dürfen.