06.12.2020

Und nun sind es heute also 14 lange Tage her, dass ich die Hotelquarantäne in Phnom Penh direkt nach Ankunft angetreten habe. Lange Tage, weil es die Bestimmungen wollen, dass man das Hotelzimmer in dieser Zeit nicht verlassen darf. Obschon ich mir, wie im letzten Bericht erwähnt, gleich zu Beginn weg etwas Frischluft mit offenen Fenstern verschaffen konnte, machte sich das Fehlen von etwas Auslauf bei mir schneller bemerkbar, als ich dachte. So versuchte ich trotz postiertem Sicherheitspersonal in den Gängen, zwischendurch mal ein paar Schritte in den weitläufigen Hotelkorridoren zu tun. Nicht Alle waren diesem Ansinnen wohlwollend gestimmt. Es gab aber auch vereinzelt Wachpersonal, welches für meine Wünsche durchaus Verständnis zeigte. Die verwinkelten Korridore sind lang, mein Schrittzähler sagt mir, dass allein eine Runde auf meinem Stock gegen 1000 Schritte ausmachen. So schaffte ich es wenigstens einmal im Tag einen kurzen Spaziergang zu tätigen, ohne dass der diensthabende Wachmann gleich zum Funkgerät griff.

Als kleine Steigerung, wählte ich auch schon mal das Treppenhaus gleich gegenüber meinem Zimmer, welches mir einen Auf- und Abstieg zum 20. Stock des Hauses ermöglichte. Im Treppenhaus war wie zu erwarten gar niemand anzutreffen. Dieses Vorhaben war aber definitiv etwas allzu gut gemeint, mich plagte an den Folgetagen einen Muskelkater in den Waden, so dass ich zumindest das lange Treppensteigen doch lieber wieder auf Eis legte.

Null auf 100 hiess es auch bei meinem Vorhaben, ein 2000teiliges Puzzle in diesen 14 Tagen zu lösen. Das Puzzle, ein Orchestergraben von Mordillo, erhielt ich seinerzeit zu meinem 20. Geburtstag geschenkt. Seither lagerte dieses Puzzle ungeöffnet auf meinem Estrich. Welche Gelegenheit, dies nun in dieser Zeit anzupacken! Nach insgesamt 9 Stunden puzzeln, hab ich es dann wenigstens geschafft, den Puzzlerand und ein kleiner Ausschnitt des Bildes zu erstellen. Betrachtete ich dann die restlichen 1800 schier gleichfarbigen Teile, wurde mir bewusst, warum dieses Puzzle über 30 Jahre in meinem Estrich lag. Ich wollte mich für die weiteren Tage unbedingt etwas zufriedener machen, und stellte dieses Projekt ein.

Schon zuhause war mir klar, dass eine solche Quarantäne nur erfolgreich durchzustehen ist, wenn man sich trotz eingeschränkten Möglichkeiten einen gewissen Alltag zulegt. So pflegte ich auch hier, kambodschanisch früh das Bett zu verlassen und bei einem ersten grossen Kaffee dem Tag beim Erwachen zuzusehen. Der Ausblick aus meinem Zimmer ist hierfür optimal, und ich verbrachte in den vergangenen zwei Wochen doch einige Stunden in der Sitzecke am Fenster beim lesen und schreiben oder dann einfach am beobachten des emsigen Schiffsverkehrs auf auf dem vorbeiziehenden TonleSap-River. Dass bei mir den ganzen Tag über gute Musik lief, muss ich wohl kaum erwähnen.

Phnom Penh um 06.30 Uhr

Die Mahlzeitenlieferungen sind es, welche in einer solchen Situation eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bekommen. Es ist nämlich praktisch der einzige persönliche Kontakt den man so mit Sicherheit 3 x mal täglich an der Türe hat. Wir befinden uns zwar hier in einem 5Sterne-Bunker, die Mahlzeiten entsprechen aber bei weitem nicht dem. Gut, wenn man bedenkt, dass das Hotel 744 Zimmer hat, davon zur Zeit rund 700 durch Quarantäne-Absolventen besetzt sind, relativieren sich die Möglichkeiten schnell mal. Für alle 700 Zimmer ist das Essen fast gleichzeitg zuzubereiten und persönlich zu verteilen. Dass dann das Essen oftmals nicht mehr allzu warm ist, in den Plastikbehälter verpackt im Plastiksack etwas gar einfach angerichtet daher kommt, erklärt sich von selbst. Was ich aber schade finde, dass der eher kleine Menüplan für die gesamte Zeit unverändert bleibt und man sich so wohl oder übel die ganzen 14 Tagen von den gleichen Mahlzeiten zu ernähren hat. Die Portionengrösse entspricht auch eher asiatischen Gepflogenheiten, es reichte aber in Anbetracht der minimalen körperlichen Ertüchtigung auch aus. Ein Grund mehr, auch künftig auf das Treppensteigen zu verzichten.

Eine schon etwas wichtigere Bedeutung kam da automatisch dem Kaffeegenuss zu. Eher per Zufall stiess ich beim recherchieren im Internet in der Schweiz auf eine Möglichkeit, mir ohne eine herkömmliche Kaffeemaschine einen guten Espresso zubereiten zu können. Da sich in meinem Gepäck für mein Zuhause in Sihanoukville eine grössere Anzahl an Kapseln der Marke Nespresso befinden, wäre es wohl eine Tortur gewesen, hier im Hotel auf meine tägliche Kaffeerationen verzichten zu müssen. Kurzum habe ich mir für wenig Geld ein äusserst platzsparendes „Outdoor-Gerät“ zugelegt, mit welchem sich mit etwas heissem Wasser und einem manuellen Pumpverfahren ein wirklich ordentlicher Espresso aus der Kapsel hinkriegen lässt. Ein Wasserkocher gehört in Asien in den meisten Hotelzimmer und im einfachsten Haushalt zur Grundausrüstung. Meine Rettung für glückliche Tage!

Nachdem ich die Morgenstunden nützte, um die sozialen Medien, digitalen Zeitungen, planerische Tätigkeiten und eben solche Berichte zu verfassen, nutzte ich die Nachmittage dann eher für entspannte Lesestunden. Die Biographie des Dr. Beat Richner, verstorbener Kinderarzt der Kantha Bopha-Spitäler in Kambodscha, hat es mir besonders angetan. Das Geschriebene lässt mich an die Zusammentreffen mit ihm in Siem Reap erinnern. Das letzte Mal wenige Tage vor seiner krankheitsbedingten Abreise in die Schweiz im Frühjahr 2017. Ende 2018 ist er leider im 71. Altersjahr verstorben.

Die Abende dieser Wochen verbrachte ich dann meistens mit Aufzeichnungen aus der SRF App, und so war ich auch jetzt über vieles in der Schweiz bestens orientiert. Ich freute mich aber auch immer wieder auf persönliche Anrufe, E-Mails oder WhatsApps von Familie und Freunden aus der Schweiz, welche auf diese Weise etwas Abwechslung in meine eher langen Tage brachten. Schlussendlich träumte ich aber schon ab dem ersten Tag davon, schnellst möglich dieses Haus verlassen zu können, um dann dem richtigen Khmer-Leben zu frönen, und vorallem nach dieser langen Zeit endlich zuhause in Sihanoukville anzukommen.

Gestern Samstag musste ich mich noch ein weiteres Mal einem Covid-Test unterziehen. Bei einem negativen Ergebnis könnte ich heute Sonntag, spätestens am Montag Morgen die Quarantäne beenden. Nachdem ich mich nachwievor gesund fühle, bin ich mal guter Hoffnung, dass dies so klappt.